Interview: Resilienz von Städten

Stadtentwicklung

Harald Katzmair entwickelt Österreichs Resilienzstrategie. Im Interview mit Smart Cities Consulting (SCC) spricht er über die Gefahren für eine Gesellschaft und die Fähigkeit mit ihnen umzugehen.

"Haben die ganze Bandbreite des Unheils" Harald Katzmair erforscht Krisenszenarios. (c) FASresearch
„Haben die ganze Bandbreite des Unheils“ Harald Katzmair erforscht Krisenszenarios. (c) FASresearch

SCC: Vor Kurzem hat ein einzelner Kurzschluss in einem Umspannwerk in einem Vorort von Amsterdam hat dazu geführt, dass die Hauptstadt und weite Teile Nordhollands lange Zeit ohne Strom waren. Wie verletzlich sind unsere Städte eigentlich? K: Ohne dem Katastrophismus zu verfallen. Als Szenario ist die Verletzlichkeit technischer Systeme durchaus gegeben. Vor allem, weil technische Systeme nur nach ihrer Effizienz optimiert werden. Das heißt, dass immer weniger in Reserven oder Puffer investiert wird. Damit hängt möglicherweise auch der Blackout in Amsterdam zusammen. Städte sind insgesamt aber enorm resilient. Historisch gesehen gibt es kaum Beispiele für Städte, die einfach verschwunden oder bankrott gegangen sind. Um es vereinfacht zu sagen, sind in Städten so viele unterschiedliche Akteure versammelt, dass es immer jemanden gibt, der eine Lösung parat hat.

Netzwerke müssen sich abgrenzen

SCC: Ihre Arbeit besteht aus der Erforschung von Netzwerken. Erhöht nicht gerade die zunehmende Vernetzung unserer Gesellschaft das Risiko für Flächenbrände? K: Da haben Sie im gewissen Sinne recht. Weil alles miteinander verbunden ist, kann jede Handlung an jedem Ort, eine Reaktion an einem anderen Ort hervorrufen. Diese Hyperkonnektivität ist immer ein hohes Risiko. Das ist ja ein bekanntes Problem der Börse. Jeder Unsinn, der irgendwo auf der Welt passiert, kann sofort eine Konsequenz am anderen Ende haben. Resiliente Netzwerke müssen sich daher modularisieren, um die Wahrscheinlichkeit auf einen Flächenbrand zu reduzieren. Städte sind erstaunlich modularisiert, weil es so viele Subkulturen gibt. Es gibt kleine Netzwerke, die eigentlich voneinander unabhängig sind. Denken sie nur an Migrantennetzwerke oder an studentische Netzwerke, die alle ihre eigenen Orte und Prozesse haben und eben nicht miteinander verbunden sind.

Was zählt, sind die weichen Faktoren

SCC: Ihr Unternehmen entwickelt derzeit eine Resilienzstrategie für Österreich, den Resilienzmonitor Austria. Was passiert da gerade? K: Der Resilienzmonitor Österreich misst die Robustheit und die Lernfähigkeit der Beziehungen zwischen Systemen einer Gesellschaft. Also etwa der Industrie, der Zivilgesellschaft oder den Blaulichtorganisationen. Wir messen, wer diejenigen sind, die im Falle eines Falles handeln müssen und wie agil und robust deren Beziehungen sind. Das ist, ganz vereinfacht formuliert, die Fähigkeit von Akteuren Probleme zu lösen, die außerhalb des Standards sind. SCC: Welche Szenarien spielen dafür eine Rolle? K: Das beginnt mit dem klassischen Blackout, also dem Zusammenbruch von kritischer Infrastruktur. Wir beschäftigen uns darüber hinaus auch mit einem Ebola-Szenario, einem Zusammenbruch des Finanzsystems oder einem Szenario der sozialen Unruhe. Wir haben ein geopolitisches Szenario, speziell vor dem Hintergrund der Vorgänge in der Ukraine. Wir haben ein Szenario, bei dem die Regierungsfähigkeit im weitesten Sinne zusammenbricht und wir haben ein Szenario im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Wir haben also die gesamte Bandbreite an möglichem Unheil. SCC: Was sind die wichtigsten Strategien im Falle eines Falles? K: Ein zentrales Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass es immer die weichen Faktoren sind und nie die harten, technologischen, die unsere Fähigkeit mit Problemen umzugehen, bestimmen. Unser Improvisationsvermögen und unsere Fähigkeit, uns abseits unserer festgefahrenen Rollen zu begegnen, ist das Hauptmittel, um resilient zu sein und Probleme zu bewältigen. Denn wenn etwas passiert, passiert hundertprozentig etwas, das wir nicht erwartet haben. Natürlich gibt es technologische Vorkehrungen. Oder, was vor allem die ältere Generation von uns gehört hat, das Einlagern von Vorräten (lacht). Aber wirklich entscheidend ist, ob wir miteinander jenseits der sozialen Skripts, die wir miteinander haben, agieren können. SCC: Ab wann werden erste Ergebnisse ihrer Forschung zur Verfügung stehen? K: Wir sind gerade im Feld. Wir machen noch eine Befragung unter 400 Opinion-Leaders in Österreich. Vor allem im Bezug auf Robustheit und Agilität von Beziehungen. Damit sind wir im Mai fertig. Veröffentlicht werden unsere Ergebnisse Ende Juni, Anfang Juli. Harald Katzmair ist leitender Geschäftsführer von FASresearch, das sich auf die Erforschung von Netzwerken spezialisiert hat. Im Auftrag von Bundeskanzleramt, Innenministerium und Verteidigungsministerium erhebt er die Resilienz Österreichs. Links: Resilienzstrategie Österreich FASresearch Wollen Sie mehr wissen? Lesen Sie „Vorbereitung auf den Blackout

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