Capannori: Eine Gemeinde gegen Europas Müll

Recycling

Der Protest des Italieners Rossano Ercolini gegen eine Müllverbrennungsanlage ist in einer Bewegung gemündet, die Europas Müll den Kampf erklärt hat

Früh übt sich: Ercolini mit Kindern beim Mülltrennen. Goldman Environmental Prize
Früh übt sich: Ercolini mit Kindern beim Mülltrennen. Goldman Environmental Prize

Fünf Tage die Woche ist Rossano Ercolini Grundschullehrer. Das ist erstaunlich, denn sein jahrelanger Protest gegen Müllverbrennungs- anlagen in Italien hat ihn zu der Hauptfigur für nachhaltiges Müllmanagement in Europa gemacht. Jedes Wochenende fährt er quer durch Italien und Europa und berät Gemeinden, wie sie den Anteil an getrennten Müll erhöhen und weniger Müll produzieren können. Kurz: Wie sie dem Ziel von „Zero Waste“ ein Stück näher kommen können. Doch von Anfang an:

1997 erfuhr Ercolini Rossano, dass die Region Luca den Bau von zwei Müllverbrennungsanlagen in der 45.000 Einwohner Gemeinde Capannori plant. Eine davon genau neben der Grundschule, an der Ercolini unterrichtet. Er informierte sich über mögliche gesundheitsschädigende Wirkungen. Das Ergebnis war für ihn erschreckend. Studien belegten, dass Schadstoffe und Kleinpartikel von Müllverbrennungsanlagen in die Lunge eindringen können und das Risiko für Atemwegserkrankungen und Krebs deutlich erhöhen würden.

Rossano organisierte Gemeindetreffen, um auf die Gefahr für die Gesundheit der Bewohner von Capannori aufmerksam zu machen. Es dauerte nicht lange, bis ein organisierter Protest gegen die neuen Müllverbrennungsanlage erfolgreich war. Doch Ercolinis Aufgabe war damit nicht beendet.

Das Müllproblem an der Wurzel packen

Noch während des Protests waren die Bewohner Capannoris mit der Präsentation einer Alternative konfrontiert. Wenn der Müll aus gesundheitlichen und ökologischen Gründen nicht verbrannt wird, konnte er auch kaum auf einer Halde deponiert werden. Deswegen begannen die Mitarbeiter der Kampagne einen neuen Müllmanagement-Plan ins Leben zu rufen.

Statt den Müll wie im Rest Italiens in große Tonnen zu werfen, wurde er nun von ASCIT der Müllabfuhr Capannoris an jeder Haustür abgeholt. Bezahlt wurde teilweise pro Müllsackerl, was zu einer verbesserten Mülltrennung führte. Zusätzlich wurde über Trennung informiert und Komposter für Biomüll ausgegeben. Zwischen 2004 und 2013 erhöhte sich der Prozentsatz getrennten Mülls von 30 auf 82 Prozent. Das ist doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt. Doch viel mehr: Viel Müll entstand erst gar nicht mehr. Die Müllproduktion sank im selben Zeitraum um knapp 40 Prozent auf 400 Kg pro Person pro Jahr. Im Durchschnitt „produziert“ ein Europäer 500 Kg Müll im Jahr.

Was als kleine Bewegung begann, ist heute in ganz Italien unter „Ambiente e Futuro“ (Umwelt und Zukunft) bekannt. Goldman Environmental Prize

Heute hat die ZeroWaste Bewegung weitere Teile von Europa erfasst. „Das Baskenland, Catalonien, Wales und jetzt ganz neu Slovenien sind neue Musterschüler in dieser Hinsicht“,  sagt Ercolini. Vor kurzem war er in Nizza und hat mit dem Bürgermeister gesprochen, um die Idee zu verbreiten. In Ländern wie Deutschland und Österreich sei die Bewegung noch relativ neu. „Wir arbeiten aber daran, dass sich ZeroWaste hier in Zukunft durchsetzt“.

Der beste Müll ist der, der nicht produziert wird

Die Europäische Kommission hat bereits erklärt bis 2020 nur mehr „nicht recyclebares Material“ für Mülldeponien und – verbrennungsanlagen zuzulassen. „Viele Regionen, die sehr stark auf die Produktion von Müllverbrennungsanlagen gesetzt haben, stehen jetzt vor einem Problem.“, sagt Ercolini. Denn sobald mehr recycelt wird, fehlt ihnen der Rohstoff zum verbrennen. In einigen Regionen führt das schon zu einem Geschäft mit Müll. Neapel, die Stadt mit dem wohl größten Müllproblem in Europa verschifft jährlich tausende Tonnen davon nach Holland.

Ercolini bei der Preisverleihung des Goldman Environmental Prize 2013. Goldman Environmental Prize

Energie zu sparen, indem sie gar nicht erst verbraucht wird: Genau hierin würde der Gedanke von ZeroWaste liegen, sagt Ercolini. Mittlerweile ist er Leiter des ersten „ZeroWaste Research Center“ Europas in Capannori. Letztes Jahr wurde Ercolini Rossano mit dem Goldman Preis für Umweltschutz ausgezeichnet, einer der wichtigsten Umweltpreise die es gibt. „Wir tuen unser Besseres“, sagt Ercolini. „Nicht unser Bestes aber wir sind schon ziemlich nahe dran.“

Fotos: Goldman Environmental Prize

Weiterführende Links:

Video über den Recycle-Champion „Capannori“ Website der ZeroWaste Bewegung „ZeroWaste Europe

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