Die sozialen Folgen der Grünen Wende

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Die EU will bis 2050 klimaneutral sein. Um das zu erreichen, muss sie klimaschädliche Industrie umbauen. Kann das gelingen, „ohne dass Menschen zurückbleiben“, wie es die Kommission betont? Wir fragen Julia Eder, externe Lektorin an der Johannes Kepler Universität Linz.

SCC: Frau Eder, Sie beschäftigen sich mit der Rolle der Industrie bei der Grünen Wende. Welche Sektoren werden denn am meisten von einem Umbau betroffen sein?

Eder: „Die meistbetroffenen Sektoren sind die energieintensiven Industriezweige, zum Beispiel Papier-, Stahl- und Zementindustrie, die besonders hohe CO₂-Emissionen verursachen, aber auch die Energiewirtschaft selbst. Ein wichtiger Teil der Klimaneutralität soll schließlich durch Dekarbonisierung, also durch die Reduktion des Einsatzes „brauner Energiequellen“ herrühren. Zuletzt sind auch Sektoren, die die Umwelt belastende Endprodukte herstellen, wie die Automobilindustrie, zum Umbau gezwungen.“

SCC: Die EU plant mehrere Finanzhilfen für die Industrie. Am Ende sollen rund 55 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Ist das genug, damit niemand zurückbleibt?

Eder: „Die angegebenen 55 Milliarden sind eine sehr hoch gegriffene Schätzung. Sie stammt aus dem Mai des Jahres 2020, als die Europäische Kommission ankündigte, die ursprünglich für den Just Transition Fonds (JTF) der EU vorgesehenen 7,5 Milliarden Euro auf insgesamt 40 Milliarden Euro zu erhöhen. Der Kontext war das Erholungsprogramm, das die EU im Zuge der Corona-Pandemie aufsetzten. Es wurde damals geschätzt, dass die 40 Milliarden noch zusätzlich 15 Milliarden Euro aus dem Privatsektor mobilisieren würden. So kommt die Summe von 55 Milliarden Euro zustande.

Im Juli 2020 wurde diese Summe vom Rat aber wieder gekürzt und zwar auf 17,5 Milliarden Euro, die von 2021 bis 2027 investiert werden sollen. Die vom Privatsektor erwarteten zusätzlichen Investitionen werden mit 12,5 Milliarden Euro aber fast so hoch eingeschätzt wie zuvor. Deshalb wird nun von 30 Milliarden Euro gesprochen, die für den gerechten Übergang bereitstehen.

Die Summe ist nun – wie auch ganz am Beginn – relativ knapp bemessen. Zwischenzeitlich trat die Europäische Kommission für die Erhöhung auf 40 Milliarden ein, um insbesondere die vom Kohlebergbau abhängigen Regionen beim Rückbau besser unterstützen zu können. Das könnte nun schwierig werden. Insgesamt wird bei der Industriepolitik oft nicht langfristig genug gedacht; insbesondere, wenn es um die bereits in einem Industriezweig beschäftigten Menschen geht. Diese müssen den Wandel mittragen, damit er ohne große soziale Verwerfungen vonstattengeht. Dafür müssen sie aber eingebunden werden und der Umbau muss sozial abgefedert werden.“

SCC: Sie stellen eine alternative Industriepolitik zur Diskussion, bei der es etwa auch um eine gerechtere Verteilung von Gewinnen geht. Was hat das mit dem Klimawandel zu tun?

Eder: „Bevor ich etwas zur Verteilung der Gewinne sage, möchte ich noch festhalten, dass die aktuellen Pläne massive öffentliche Investitionen für den Umbau von großteils privaten Konzernen vorsehen. Diese Konzerne sind zum Teil auch sehr finanzstark, z.B. in der Autoindustrie. Es stellt sich deshalb die Frage, wie die Kosten des Umbaus und die Verteilung der (späteren) Gewinne in der Gesellschaft gerecht aufgeteilt werden können. Jedenfalls erscheint es mir nicht fair, wenn der Staat – und hier wiederum v.a. die Steuerzahler:innen – den Großteil der Kosten des Umbaus trägt, zukünftige Gewinne aber in wenigen Händen verbleiben. Mariana Mazzucato macht interessante Vorschläge, wie eine Gewinnbeteiligung der Gesellschaft aussehen könnte. Dazu erzähle ich dann mehr im live-Gespräch am 30.0.3.22.“

Julia Eder ist externe Lektorin am Institut für Soziologie an der Johannes Kepler Universität in Linz. Sie ist außerdem Projektleiterin bei „Weltumspannend Arbeiten“, dem entwicklungspolitischen Verein im Österreichischen Gewerkschaftsbund. Am 30.0.3.22 ist sie ab 18:00 Uhr bei SmartCitiesConsulting live auf LinkedIn und Youtube im Gespräch. Melden Sie sich hier an und stellen Sie Ihre Fragen.

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