Kamptal Kraftwerk – ja oder nein?

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IMG_20151114_135156521_HDRDas Kamptal in Niederösterreich ist bekannt für seine wilden Flüsse, beeindruckenden Landschaften und Erholungsgebiete für Mensch und Tier. Doch es steht Veränderung bevor: Der Stromversorger EVN möchte sein Kraftwerk am Fluss erneuern. Dafür würde ein 1,6 km großes Gebiet in Rosenburg zwei Jahre zur Baustelle werden. Ganz zur Missgunst der Wanderer, Naturschützer und NGOs.

Im idyllischen Rosenburg steht ein Kraftwerk von der EVN seit fast 108 Jahren. Immer wieder gibt es Pläne für einen Umbau des Naturschutzgebiets, schon Anfang der 1980er Jahre gab es Streitigkeiten mit der Newag um ein größeres Werk. Da zeigte der Bürgerprotest Wirkung. Bereits 5000 Bürger haben heuer die Petition gegen den Ausbau unterschrieben. Doch die EVN zeigt sich hartnäckig. Die Anlage sei alt und gehöre saniert und optimiert. Der Ausbau sei marginal, eine Revitalisierung notwendig und eine Renaturierung würde daraufhin ganz von allein stattfinden. Das würde aber in die bislang wenig erschlossene Landschaft des Europaschutzgebiets eingreifen, das vom Lebensministerium als „Flussheiligtum“ und Tabuzone bezeichnet wird. Mit der Erholung ist dann vorerst Schluss.

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Für die Naturschützer wäre neben einer Stilllegung auch ein Abriss des Werks denkbar. Doch ein der wäre in Wahrheit genauso mit Bauarbeiten verbunden, die die Natur (vorübergehend) zerstören. 

Was genau ist geplant? Der Staukamp, der momentan etwa 700m lang ist, soll nach dem Umbau etwa 1.600m lang sein. Die Flusssohle des Unterwassers, also  unterhalb des Krafthauses soll bis zu 1,5m ausgebaggert werden. Und die Staumauer wird dann von 4m auf ca. 6,5m erhöht.

Die NGOs sind sich einig: Durch den Ausbau würden auch noch die allerletzten wilden Flussstrecken zerstört, die Natur und Artenvielfalt leide stark darunter, wenn die Fliessstrecke unterbrochen würde. Außerdem nähme die Wasserqualität ab. Deshalb haben sie sich vergangene Woche getroffen, um sich das Gebiet genau anzusehen. Unter dem Namen „Lebendiger Kamp“ wanderte die Aktionsgruppe zur Wehranlage. Bewusst war sie gegen die Bezeichnung „Protest“ oder „Demo“; die EVN wurde zur Veranstaltung nicht eingeladen. Konfrontation sollte hier nicht stattfinden.

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Aber irgendwoher muss der Strom ja kommen, den wir tagtäglich beziehen. Laut EVN könnte dieses Kraftwerk fast doppelt so viele Haushalte als bisher versorgen. Bis 2026 jedenfalls muss etwas passieren, denn da läuft das Wasserrecht für die Anlage aus. Bis dahin muss das Kraftwerk auf den aktuellen Stand der Technik gebracht werden. Oder eben stillgelegt werden.

Gäbe es denn Alternativen?

Die Menschen aus dem Gebiet schlagen vor, Supermärkte und andere Gebäude mit mehr Solarpanelen abzudecken und mehr in Windkraft zu investieren.

Aber was ist nun eine richtige Entscheidung? Ist erneuerbare Energie immer auch gleichzusetzen mit ökologisch? Was sagt das Land dazu? All das sind Fragen, die bei der Recherche aufgetaucht sind. Problematisch ist auch: Das Land Niederösterreich fungiert als Eigentümer der EVN und als Genehmigungsinstanz gleichzeitig. Und Fakt ist: Es wird viel über einen Kamm geschert, da beide Parteien mit stärkeren Argumenten überzeugen wollen.

Statements der Naturschützer:

Viele der TeilnehmerInnen waren bereits bei den Bürgerprotesten gegen die Newag dabei und sind deshalb sehr motiviert, sich 30 Jahre später erneut gegen die „Elektrovampire“ (s. u.) durchzusetzen.

Bernd Lötsch, Gebietskenner, Biologe, Chemiker, ehem. Direktor des Naturhistorischen Museums und Laudator an dem Tag, sagt:

delia_1Wir müssen die Elektrovampire in ihre Schranken weisen – Wasserkraft lohnt sich   nicht: Im Winter brauchen wir mehr Strom,  aber genau dann ist die erzeugte Wasserkraft am niedrigsten, denn da liegt sie gefroren in den Alpen. Wir sollten vielmehr die bereits erschlossene Energie intelligenter nutzen bei ständig steigendem Stromverbrauch. Das wäre dann vernünftige Beschäftigungspolitik. 

Werner Gamerith – Buchautor und Gebietskenner:

delia2_1Das Kamptal ist eine der naturbelassensten und artenreichsten Gegenden, die letzten Wildflussstrecken sind so kostbar geworden – da kann man keinen Meter von opfern. Ich habe hier schon seit meiner Kindheit  Tiere wie Smaragdeidechsen, Nattern, Uhus, Schwarzstörche und seltene Pflanzen beobachten dürfen. Ein Wasserkraftwerk ist da eine Wunde in der Landschaft.

Matthias Schickhofer – Naturfotograf und Gebietskenner:

z6_1Ich denke, dass es bessere Orte gibt, um Strom zu produzieren als an den letzten wilden Flussabschnitten Österreichs. Eigentlich sollte man  – nachdem man die Natur schon zerstört hat – ihr nun etwas zurückgeben. Alternativen gibt es jede Menge, ohne dass das Eingriffe in die Natur bedeuten würde, der Ausbau von Solarenergie auf hässlicher Architektur wie Einkaufszentren macht durchaus Sinn.

Und eine Wanderin sagt:

 Ich komme aus dem Waldviertel und wandere hier schon seit Jahrzehnten, eigentlich seit meiner Kindheit. Heute bin ich hierher gekommen, um mich zu informieren und als ich erfahren habe, dass so ein Wasserkraftwerk eigentlich gar nicht so viel Strom bringt, habe ich mich gefragt: Wir brauchen den Strom aber woher holen wir ihn uns?  Die einzige Möglichkeit ist ja eigentlich Strom sparen.

 Stefan Zach, Pressesprecher der EVN (das komplette Interview finden Sie unter dem Bild):

3_1Flüsse sind wichtige Naherholungsgebiete. Wir glauben, dass durch das Projekt danach vieles sogar noch besser sein wird: Revitalisierung wird von allein stattfinden, danach können Kanus, Kajaks hier fahren. Wir setzen uns ein für den Klimaschutz, indem wir alle Formen erneuerbarer Energie erzeugen, darunter auch Wasserkraft. Wir halten uns eh an die strengen österreichischen Vorschriften und werden den Umbau möglichst naturschonend durchführen. 

 

 Was mit dem Werk aber geschieht, soll in den nächsten Wochen entschieden werden. Am 1. Dezember gibt es ein Treffen, bei dem die EVN ihre verschiedenen Varianten vorstellt und vermutlich wird sich dann auf ein ökologisches und ökonomisches „Mittelding“ geeinigt.

 Fotos: DM

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