Klimaneutral bis 2030: Klagenfurt geht voraus

Förderungen

Klagenfurt ist unter Europas ersten Städten, die bis 2030 klimaneutral sein sollen. Unterstützt werden sie dabei von einem neuen EU-Programm für Klimavorreiter. Wie der Sprung zur klimaneutralen Stadt gelingen kann, erzählt Dr. Wolfgang Hafner, Leiter der Abteilung Klima- und Umweltschutz, im Interview.

SCC: Herr Hafner, Klagenfurt ist vor kurzem in das Programm „100 klimaneutrale und smarte Städte bis 2030“ der EU aufgenommen worden. Neben Städten wie Stockholm, Madrid oder Paris. Herzlichen Glückwunsch!

Dr. Hafner: „Dankeschön!“

SCC: Gleichzeitig drängt die Zeit. Spätestens in acht Jahren wollen sie weniger CO2 ausstoßen als sie speichern können. Wie definieren Sie „klimaneutral“? Welche Sektoren werden berücksichtigt, welche nicht?

Dr. Hafner: „Wir arbeiten schon seit Langem an dem Ziel klimaneutral zu sein. Angefangen haben wir 2011 mit dem Beitritt zum Konvent der Bürgermeister [„Convenant of Mayors“ der EU, Anm. d. Red.] und damals haben wir gesagt: ,um das Jahr 2050 herum sollten wir klimaneutral sein.‘ Dieses Ziel haben wir sukzessive verschärft, weil wir gesehen haben, dass wir mit unseren Maßnahmen schon gut unterwegs sind. So haben wir zuletzt beschlossen bis zum Jahr 2030 70 Prozent der direkten Treibhausgasemissionen einzusparen.

Als wir dann auf die EU-Cities-Mission aufmerksam gemacht wurden, haben wir schnell entschlossen, dass wir das schaffen können. Hier ist Klimaneutralität so definiert ist, dass man mindestens 80 Prozent der direkten Treibhausgasemissionen einsparen sollte. Den Rest kann man kompensieren, etwa durch Eigenstromproduktion. Der Sprung von 70 auf 80 Prozent CO2-Einsparung ist nicht mehr so gewaltig, bedeutet aber natürlich eine extreme Beschleunigung unserer Maßnahmen, die wir in der Smart-Cities-Strategie festgestellt haben.“

„In wesentlichen Sektoren sind wir schon nahezu klimaneutral.“

SCC: Betrifft Klimaneutralität alle Sektoren, die im Einflussbereich der Stadt sind?

Dr. Hafner: „Es betrifft alle direkten Emissionen innerhalb des Stadtgebiets von Klagenfurt. Da geht es zuerst einmal um den Stromverbrauch: ,Wo kommt der Strom her?’ Das ist eine wichtige Größe. Der zweite Sektor ist die Fernwärme. Der dritte Sektor ist alles was mit Verkehr und Mobilität zu tun hat und der vierte Sektor betrifft dann alle Gebäude, die nicht mit Fernwärme versorgt werden: letztlich die Fossilen aus Gas- oder Festbrennstoffen. Wir haben in Klagenfurt den Vorteil, dass wir einen hohen Anschlussgrad an Fernwärme haben. Fast die Hälfte der Haushalte sind angeschlossen. Und diese Fernwärme kommt zu 90 Prozent aus Biomasse. In wesentlichen Sektoren sind wir schon nahezu klimaneutral. Und das erleichtert uns den weiteren Weg in Richtung Klimaneutralität bis 2030.“

„Wirklich große Anstrengungen sind im Mobilitätssektor notwendig“

SCC: Die EU wird Sie bei Ihrem Weg zur Klimaneutralität unterstützen. Für die ersten Städte sind insgesamt 117 Millionen Euro Förderung vorgesehen. Welche Summe brauchen Sie zur Erreichung Ihrer Ziele? Welche Klimaziele brauchen die Unterstützung der EU, damit ein klimaneutrales Klagenfurt 2030 gelingen kann?

Dr. Hafner: „Das ist eine extrem schwierige Frage, die wir momentan gar nicht punktgenau beantworten können. Aber wir haben natürlich eine Abschätzung versucht. Wirklich große Anstrengungen sind im Mobilitätssektor notwendig, wo wir mit Busbeschleunigung, Attraktivierung und Umstellung auf E-Mobilität Maßnahmen setzen. Dann fehlt noch der Gebäudesektor, der nicht an die Fernwärme angeschlossen ist. Da gibt es intensive Sanierungsprogramme und eben den Ausstieg aus Öl und Erdgas. Das sind die wichtigsten Hebel.

Für Klagenfurt kommen wir hier auf ein Investitionsvolumen von 500 Millionen Euro. Vieles davon sind Ersatzinvestitionen, Sanierungen zum Beispiel, die ja in irgendeiner Form sowieso stattfinden müssten. Die Kunst ist natürlich, das, was wir jetzt investieren, richtig und zielgerichtet zu machen. Dazu kommen zusätzliche Investitionen, um schon bis 2030 fertig zu sein. Das wird ohne Förderungen nicht gehen.“

„Das Geld wird nicht automatisch fließen“

SCC: Wie funktioniert der Förderungsprozess genau?

Dr. Hafner: „Das ist alles noch in Ausarbeitung. Wir warten jetzt auf die Vorgaben der Europäischen Kommission. Es soll ein sogenannter ‚Climate City Contract‘ abgeschlossen werden, indem auch der Investitionsplan verankert ist und dann wird man sehen, was die Förderprogramme hergeben. Es geht ja nicht nur um Förderungen auf EU-Ebene, sondern auf nationaler Ebene. Ich denke mir, dass man sicher gute Projekte einreichen muss. Das Geld wird nicht automatisch fließen, nur weil man eine klimaneutrale Stadt ist. Für jede Maßnahme wird man einzelne Projekte identifizieren, darstellen und finanzieren müssen. Um überhaupt in Schwung zu kommen, bedarf es sehr vieler Humanressourcen, also Menschen, die sich mit Projektanträgen und Projektabwicklung auskennen.“

Klagenfurt will bis 2030 klimaneutral sein. Mobilität und Gebäudesanierung gelten noch als ‚Herkulesaufgabe‘.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Wir brauchen die Bevölkerung. Sie muss die Maßnahmen tragen.“

SCC: Inwieweit kann auch die Privatwirtschaft Teil Ihres Programms sein?

Dr. Hafner: „Sie muss mitwirken, ohne dem geht es gar nicht. Wenn nicht alle Stakeholder am gleichen Strang zeihen, dann wird es nicht funktionieren. Aber die Wirtschaft ist natürlich gefragt, weil sie dort investieren muss, wo die Stadt es nicht kann. Wir haben in Klagenfurt nur einen Bruchteil der Gebäude, die in unserem Eigentum stehen. Deshalb müssen wir die Bauträger motivieren. Sie sollen wirklich in Richtung Klimaneutralität denken und klimafitte Gebäude errichten, beziehungsweise sanieren. Das ist schon noch eine Herkulesaufgabe. Aber wir sehen natürlich, dass die Wirtschaft interessiert ist. Die haben die Zeichen der Zeit auch schon längst erkannt und sehen dass es möglicherweise eine CO2-Bepreisung gibt, falls man nichts macht. Sie sehen, dass Innovationen natürlich einen Wettbewerbsvorteil darstellen und dass die Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern in eine Sackgasse führt.“

SCC: Städter:innen stehen im Mittelpunkt dieses EU-Programms. Wie bindet die Stadt Klagenfurt ihre Bürger:innen in den Prozess einer klimaneutralen Stadt ein? Welche Mitbestimmungsmöglichkeiten haben sie?

Dr. Hafner: „Da stehen wir erst am Anfang. Wir wissen aber, dass das essentiell ist. Wir brauchen die Bevölkerung. Sie muss die Maßnahmen tragen. Wir sollten uns in erster Linie an der Zielgruppe orientieren, die am meisten davon betroffen ist, nämlich die Jugend. Die muss damit leben, wenn unsere Generation nichts zustande bringt. Deswegen haben wir einen Partizipationsprozess mit zwei Schulen in Klagenfurt angestoßen und Ideen und Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler eingeholt, wie sie sich die Welt im Jahr 2050 vorstellen und natürlich auch was man dazu beitragen muss, um wirklich klimaneutral zu werden und zu bleiben. Das läuft gut. Wir sehen, dass ein hohes Interesse vorhanden ist und das werden wir ausbauen. Vielleicht gelingt es so etwas wie einen Jugendbeirat einzurichten, wo man durchaus auch Entscheidungskompetenz auslagern kann. Es wird sich weisen. Wir sind da dran und wollen etwas aufbauen.“

„Wenn bei jedem Parkplatz eine elendslange Diskussion losbricht, werden wir uns verzetteln.“

SCC: Wie gehen Sie auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt mit Konflikten um? Seien es Konflikte des Modal-Split oder erneuerbare Energie, die für alle Menschen leistbar sein soll?

Dr. Hafner: „Bürgerbeteiligung setzen wir projektbezogen schon länger in Klagenfurt um. Vor allem bei Projekten mit einer gewissen Öffentlichkeitswirksamkeit. Ich denke, das ist eine gute Tradition, auf der man aufbauen kann. Da geht es weniger um die Gesamtstrategie, sondern um einzelne Maßnahmen, beispielsweise wenn ich aufgrund der Klimaneutralität einen Platz umgestalten will, ihn klimafit machen, entsiegeln oder zum Mobilitätsknoten ausbauen will. Dann ist es notwendig und zielführend die Bevölkerung, vor allem die Betroffenen, vor Ort einzubinden und rechtzeitig im Planungsprozess mitwirken zu lassen. Das hebt auf jeden Fall die Akzeptanz und da kommen auch ganz gute Ideen.“

SCC: Klagenfurt ist als einzige österreichische Stadt Teil des genannten EU-Programms. Was haben Sie anderen Städten in Österreich voraus?

Dr. Hafner: „Was wir wahrscheinlich voraus haben, ist dass wir schon 2011 die erste Klimabilanz erstellt haben, weil wir damals dem Konvent der Bürgermeister beigetreten sind. Da waren wir damals die einzige größere Stadt in Österreich. Wir arbeiten seit 2018 mit der Smart-Cities-Strategie, die eine komplette Roadmap mit Maßnahmen und Einzelprojekten ist, wie Klagenfurt klimaneutral und lebenswert sein soll. Das ist eine umfassende Strategie, die alle Handlungsfelder im Leben einer Stadt umfasst. Von Mobilität bis zu sozialen Themen. Von Anfang haben wir auch die wichtigsten Abteilungen der Stadt involviert, in denen Experten mitarbeiten aber auch die Stadtwerke, die ja der wichtigste Infrastrukturgeber in Klagenfurt sind. Und wir haben auch von Anfang an die Politik dabei, die immer wieder die entsprechenden Beschlüsse fasst. Mindestens einmal jährlich wird ein Monitoringbericht erstellt, indem der Fortschritt dargestellt wird. Ich denke durch die Umfassenheit dieses Konzeptes haben wir ein sehr gutes Instrument in der Hand, um die Klimaneutralität zu bearbeiten und am Leben zu halten.“

SCC: Die 100 klimaneutralen und smarten Städte bis 2030 sollen anderen Städten in Europa ein Vorbild sein. Was wird man 2030 von Ihnen lernen können?

Dr. Hafner: „Ich hoffe, dass man von Klagenfurt lernen kann, wie einfach Klimaneutralität machbar ist, wenn alle das wollen. Jeder in der Bevölkerung muss das mittragen, muss überzeugt sein davon und sein Handeln danach ausrichten. Und dann, glaube ich, kann es funktionieren.

Aber wenn bei jedem Parkplatz eine elendslange Diskussion losbricht oder bei jeder Verkehrsberuhigung, bei jeder Fußgängerzone, welche Maßnahmen da auch immer da jetzt kommen, dann wird’s nicht gehen. Dann werden wir uns verzetteln.“

SCC: Herr Hafner, vielen Dank für das Gespräch!

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