Handytracking: “Der Nutzer soll selbst entscheiden”

Technologie

Das Unternehmen DFRC ist Spezialist für Geospatial Data Mining. Smart Cities Consulting (SCC) hat mit dem technologischen Leiter, Erel Rosenberg, über ihre Technologie LBASense und Privatsphäre im Bereich Handytracking gesprochen.

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Wissen, wo man sich bewegt (c) DFRC

SCC: Herr Rosenberg, was sind die Kernfelder von LBASense? Rosenberg: Unsere Technologie basiert auf dem Erfassen von Mobiltelefonen. Das ist die Schnittstelle zwischen unseren verschiedenen Anwendungsgebieten. Unser Hauptmarkt sind Smart Cities. SCC: Worum geht es dabei genau? Rosenberg: Da geht es in erster Linie um Transport. Städte und Gemeinden wollen wissen, wie viele Menschen Transportmöglichkeiten verwenden, wie und wohin sie gehen. Das machen wir beispielsweise in Liverpool, England und in Skellefteå, Sweden. Wichtig ist auch der Tourismus-Sektor. Unsere Kunden wollen wissen, wohin welche Touristen gehen. Je nach Herkunftsland besuchen die nämlich verschiedene Attraktionen. Die wichtigste Frage ist da meist: “Wohin gehen die Russen?” Weil die in der Regel das meiste Geld haben. SCC: LBASense bietet auch Dienstleistungen für Geschäfte und Unternehmen an. Welche Handydaten sind da von Interesse? Rosenberg: Wir überwachen die Effektivität von Kampagnen. Wir haben beispielsweise einen Geschäftspartner in der Schweiz, der Werbung auf Autos anbietet. Der möchte wissen, wie viele Menschen diese Werbung sehen. Wir können ihm anonymisierte Daten darüber liefern, wie viele Menschen im Sichtradius eines Autos waren, als es vorbeigefahren ist. Das funktioniert wie ein Rating-System. Wie viele Leute haben meine Werbung gesehen? Wo liegen Trends?

Wie funktioniert die LBASense-Technologie?

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GSM-Tracker von LBASense (c) DFRC

LBASense baut auf einem eigenen Netz von Sensoren auf, die Handy-Signale in einem bestimmten Bereich orten können. Mobiltelefone “kommunizieren” permanent mit dem eigenen Netzprovider. Diese Signale werden abgefangen, verschlüsselt und aufgezeichnet. Somit lässt sich genau beobachten welchen Weg ein Handy bzw. eine Person durch ein bestimmtes Gebiet genommen hat. SCC: Sie haben auch Projekte im Mittelmeer. Was machen Sie da genau? Rosenberg: Wir hatten zwei Projekte in Griechenland. Eins war ein “save-and-rescue-Projekt”, um Personen in dichtem Rauch zu finden. Zum Beispiel, wenn auf einem Boot Feuer ausgebrochen ist. Wir haben dafür eine kleine Drohne eingesetzt, die mit unserer Technologie ausgestattet ist und anzeigen kann, ob sich auf dem Boot Mobiltelefone befinden. Bei dem anderen Projekt ging es darum, mit LBASense kleine Boote ausfindig zu machen, die von Radars oder anderen Systemen nicht entdeckt werden können. Das könnte zum Aufspüren von Schmugglern oder Menschenschmugglern eingesetzt werden. SCC: Wenn es darum geht, Handydaten zu beobachten ist Privatsphäre sehr wichtig. Welche besonderen Maßnahmen treffen Sie, um die Privatsphäre von Menschen zu schützen? Rosenberg: In Mobilnetzen gibt es verschiedene Übertragungsdaten. Wir konzentrieren uns nur auf Übertragungen, die keine Information über persönliche Aktivitäten enthalten. Die Daten, die wir bekommen, anonymisieren wir komplett. Es gibt keinen Weg jemanden zu identifizieren. Selbst mit den Originaldaten könnten wir nicht sagen, mit wem wir es zu tun haben. Das kann nur der Netzprovider.

„Zeig uns dein Handy“

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Besucherverhalten einer Einkaufsregion in Singapur (c) DFRC

Wir haben aber eine App entwickelt, bei der sich der Anwender selbst dazu entschließen kann, seine Identität offen zu legen. Momentan wird es als Access-Control-System verwendet. Man meldet sich also mit seinem Handy an, bevor man eine bestimmte Einrichtung betritt. Das Unternehmen IMA in Tschechien verwendet diese Technologie bereits seit einem Jahr. SCC: Auf ihrer Website stellen Sie diese App auch für Krankenhäuser vor. Wenn eine Epidemie ausgebrochen ist, könnten Handydaten offen gelegt werden, um festzustellen, ob infizierte Personen Kontakt mit Menschen im Krankenhaus gehabt haben. Wie steht es da mit der Privatsphäre? Rosenberg: Mit diesem Programm starten wir hoffentlich nächstes Jahr. Die Daten wären aber noch immer anonym. Die einzige Möglichkeit, die Daten offen zu legen, ist, wenn jemand sagt: “Zeig uns dein Handy!” Die Identifikation erfolgt also nicht durch unser System, sondern durch Personen vor Ort. Es wäre möglich, dass Personen, die ein Krankenhaus betreten wollen, sich erst anmelden müssen. Wenn jemand aber verletzt ist und nicht reden kann, ist die Frage schwieriger. Darf das Krankenhaus das Handy eines Verletzten nehmen und überprüfen, ob diese Person Kontakt mit etwas Gefährlichem, wie zum Beispiel einem Virus hatte? Diese Frage müssen Verantwortliche in Krankenhäuser und Gesundheitsministerien klären. SCC: Apples neues iPhone kam mit einer Funktion, die eine anonyme Suche nach WLAN-Netzwerken ermöglicht, ein “Tracken” also erschweren soll (Was in der Umsetzung nicht wirklich funktioniert hat – Anm. der Redaktion). Was halten Sie von Trends zu mehr Privatsphäre bei Handyanbietern? Rosenberg: Ich denke Apple wollte die Privatsphäre vor allem stärker bewerben, damit potenzielle Kunden ihre Technologie verwenden und kein Android. Ob es letztendlich mehr oder neue Wege geben wird, die eigene Privatsphäre zu schützen und Daten zu anonymisieren, wissen wir nicht. Aber das Grundproblem ist ja: Man muss auch kommunizieren. Wenn der Schutz der Privatsphäre zu hoch ist, wird irgendwann niemand mehr kommunizieren können. Was wir aber sicher wissen: Für jede neuen Generation von Mobiltelefonen müssen wir neue Sensoren entwickeln. Mittlerweile haben wir Sensoren für eine ganze Bandbreite an Übertragunsgprotokollen wie GSM, UMTS oder LTE, die alle unterschiedlich sind.

Was sind GSM, UMTS und LTE?

Bei GSM, UMTS und LTE handelt es sich um Standards für Mobilfunknetze. GSM (Global System for Mobile Communication) war der erste Standard der sogenannten zweiten Generation von Kommunikationsnetzen. UMTS ist der Standard der dritten und LTE der vierten und fünften Generation. SCC: Wie sehen die Zukunftspläne für LBASense aus? Rosenberg: Wir wollen unser Marketing erweitern, vor allem im asiatischen Markt. Wir sind bereits in Singapur aktiv. Im Januar dann hoffentlich auch in Thailand. Das sind große Märkte, die auf der Suche nach neuen Technologien sind. Das ist eine riesige Chance für uns. Von der technologischen Seite her wollen wir unsere Genauigkeit verbessern und weniger auf WLAN Signale bauen, sondern uns eher auf Netzsignale konzentrieren, weil die eindeutiger sind. Und natürlich werden wir auf Änderungen bei Handyanbietern reagieren. Erel Rosenberg ist Chief Technology Officer beim Schweizer Unternehmen DFRC. Zuvor hat er 20 Jahre als Director und CEO bei Correlation Systems gearbeitet, das geographiebasierte Datengenerierung betreibt. Rosenberg hat einen Master in Computer Science.

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