Linz wird zeigen, dass Klimaschutz und Arbeitsplätze zusammenpassen
Oliver Schrot ist der erste Stadtklimakoordinator der Stadt Linz. Er soll mithelfen die Stadt Linz in wenigen Jahren klimaneutral zu machen. Im Interview spricht er über erfolgreiche Projekte, Hürden und den Stahlproduzenten voestalpine.
SCC: Herr Schrot, seit vergangenem Jahr sind Sie der erste Klimakoordinator der Stadt Linz. Was ist Ihre Aufgabe?
Schrot: Als Stadtklimakoordinator leite ich die Klimastabsstelle und baue diese in den nächsten Jahren weiter auf. Vor kurzem haben wir das erste Sonderheft der Klimastabsstelle veröffentlicht. Darin haben wir die Linzer Klimasstrategie im Zeitraum 2019-2021 zwischenevaluiert und 15 neue Klimamaßnahmen vorgeschlagen. Momentan gibt es viel zu tun. Ich versuche mit meinem Team die vier Themen Klimaschutz, Klimawandelanpassung, Wasserstofftechnologien und Kreislaufwirtschaft zu bedienen. Immer mit dem übergeordneten Ziel die Treibhausgasemissionen der Stadt Linz zu reduzieren und ihre Anpassungsfähigkeit zu erhöhen. Es geht dabei auch um einen soziokulturellen Wandel und nicht nur um technologische Innovationen.
SCC: Welche Ressourcen haben Sie zur Verfügung?
Schrot: Die Klimastabsstelle hat natürlich selbst etwas Budget. Ein wesentlich größerer Teil ist jedoch der Klimafonds der Stadt Linz. Dieser war 2020 und 2021 mit jeweils einer Million Euro dotiert. Am Magistrat Linz waren im Jahr 2020 exakt 2.760 Personen beschäftigt. Man- und Girlpower ist vorhanden. In der Klimastabsstelle werden wir bald zu dritt sein. Derzeit laufen zwei Ausschreibungen für diese Stellen.
SCC: Was haben Sie bisher in Linz umgesetzt?
Schrot: Das erste Sonderheft der Klimastabsstelle bietet einen guten Überblick dazu. Es kann hier als E-Book kostenloses runtergeladen werden: Klimamassnahmen_Sonderheft_Ebook.pdf (linz.at) Die Klimaarbeit der Stadt Linz ist seit Verabschiedung der ersten Linzer Klimastrategie im November 2019 sehr aktiv und dynamisch geworden. Zum Beispiel gibt es bereits 17 sehr innovative Klimafondsprojekte. Der Umstieg auf erneuerbare Energien wurde auch gestärkt und es gibt auch schon einzelne Vorzeigebeispiele beim Bauen in Holzbauweise, wie z.B. das Projekt „Wohnen am Weidingerbach“ Nahversorgungszentrum Auwiesen. Aber natürlich muss noch viel mehr passieren, keine Frage. Wir brauchen beispielsweise einen klaren Pfad zur Klimaneutralität und Projekte wie StadtKlimaVision.
SCC: Wo stoßen Sie auf Widerstand?
Schrot: Das größte Hindernis liegt in der Natur des Problems Klimawandel selbst, der definitiv kein klassisches Umweltproblem ist, wie z.B. das Ozonloch oder die Verschmutzung durch Ölunfälle. Die Klimakrise ist komplex und genauso ein sozioökonomisches Problem wie eine technologische Herausforderung. Die Auswirkungen und Lösungen sind zeitlich und räumlich oft entkoppelt. Es gibt keine One-size-fits-all-Lösung, sondern viele verschiedene Handlungsfelder, in denen man auch transformative Maßnahmen setzen muss. Und es geht nur als Kollektiv. Das allen klarzumachen ist schon eine sehr große Challenge und nicht immer einfach.
Stahl aus Linz: 10 Prozent der Emissionen Österreichs
SCC: Was denken eigentlich die Linzer:innen über das Thema Klimaschutz?
Schrot: Dazu gab es bereits eine Umfrage, bei der 500 Linzer:innen befragt wurden. 68 Prozent der Befragten teilen die Meinung, dass die Stadt Linz bereits stark oder sehr stark vom Klimawandel und dessen Folgen betroffen ist. Deutlich mehr LinzerInnen vertreten die Auffassung, dass die Stadt wesentliche Maßnahmen zum Schutz des Klimas setzen, also Treibhausgase vermeiden soll. Zwei Drittel haben das Gefühl, dass uns der Klimawandel sehr stark (27 %) bzw. stark (41 %) erfasst hat. Holt man die Meinungen der Bevölkerung ein, auf welche Klimaschutzmaßnahmen sich die Politik primär konzentrieren soll, dann bildet sich eine klare Hierarchie heraus. Es sollen in erster Linie mehr Grünflächen geschaffen werden. Der öffentliche Verkehr ist auszubauen. Die Produktion von Strom ohne CO2 ist zu bewerkstelligen. Die Linzer Industrie soll auf klimafreundliche Technologie umrüsten. Das Heizen von Häusern und Wohnungen soll klimaneutral erfolgen.
SCC: Wie binden Sie die Linzer:innen in Ihre Klimastrategie ein?
Schrot: Es gab im Oktober 2019 die Möglichkeit Ideen für die Linzer Klimastrategie über die Bürgerbeteiligungsplattform des Innovationshauptplatzes einzubringen (vgl. Projekt • // Teile deine Ideen für den Linzer Klimaplan). Der Klimafonds der Stadt Linz steht auch für innovative Projektideen einzelner Bürgerinnen bzw. Privatpersonen offen. Auch Veranstaltungen spielen hier eine Rolle.
SCC: Linz hat ein besonderes Asset. Österreichs größtes Stahlunternehmen, die „voestalpine“ ist hier angesiedelt. Sie ist für 10 Prozent der CO2-Emissionen Österreichs verantwortlich. Wie geht Linz in seiner Klimastrategie mit diesem Unternehmen um?
Schrot: Bis 2030 soll Linz als internationaler Standort für Wasserstoff-Technologie etabliert werden. Da geht es auch um den Einsatz von grünem Wasserstoff in der Stahlproduktion und andere Einsatzmöglichkeiten. Heuer wurde dazu die Initative „H2 Linz“ ins Leben gerufen. Das bedeutet für Linz die Möglichkeit und die Verantwortung, einen signifikanten Beitrag zum Erreichen der Klimaziele Österreichs zu leisten, der wesentlich über den direkten Wirkungsbereich der Stadt hinausgeht.
Netzwerke zur CO2-reduktion
SCC: Je unwahrscheinlicher die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens wird, desto wichtiger wird die Anpassung an den Klimawandel. Linz hat sein CO2-Budget 2034 aufgebraucht. Was bedeutet Anpassung für Sie?
Schrot: Im Dezember 2020 hat der Gemeinderat die Entwicklung eines Klimawandelanpassungskonzeptes beschlossen. Daran wird gerade intensiv gearbeitet. Anpassung hat also einen hohen Stellenwert.
SCC: Linz Bürgermeister Klaus Luger will, dass Linz in Klimafragen Vorbild ist. Was können andere Städte, mit ähnlicher Größe, von Linz lernen?
Schrot: Linz wird zeigen, dass Klimaschutz und zukunftsfähige Industriearbeitsplätze in keinem Widerspruch stehen. Ich selbst hoffe, dass andere Städte auch von der Klimastabstelle lernen können. Darum haben wir auch das Sonderheft „Klimamaßnahmen in Linz steuern und beschleunigen“ veröffentlicht.
SCC: Mit welchen Städten und Initiativen vernetzen Sie sich?
Schrot: Wir sind Teil der österreichischen „Vernetzungsplattform Smart Cities“ und im regelmäßigen Austausch mit Wien, Graz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt und Villach. Auch gibt es über die Klimastabsstelle eine Vernetzung mit anderen Städten in Europa, wie z.B. Bern oder Kopenhagen. Als erste österreichische Stadt in der Fab City Global Initiative haben wir zudem Vernetzungsmöglichkeiten mit 38 Städten, darunter Barcelona, Sacramento, Boston, Paris, Kamakura, Sao Paolo oder Zadar.
SCC: Was sind Vorbildprojekte für Linz?
Schrot: Ich habe im Studium ein Jahr in Kopenhagen verbracht. Vor allem die großzügige Radinfrastruktur hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Im Sonderheft der Klimastabsstelle wurden auch 15 neue Klimamaßnahmenvorschläge für Linz genannt. Vorbildprojekte waren dabei die „New European Bauhaus“-Initative oder auch KlimaKonkret. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden.
SCC: Was ist Ihr Hintergrund?
Ich habe Umweltwissenschaften mit Schwerpunkt Klimawandel an der Universität für Bodenkultur Wien und der University of Copenhagen studiert. Von 2017-2020 war ich wissenschaftlicher Projektmitarbeiter am Institut für Geographie an der Universität Innsbruck. Meine Doktorarbeit ist eingereicht und gerade unter Begutachtung. Was mich auch sehr geprägt hat, das war mein Nebenjob als Student in einer industriellen Bäckerei und meine Praktika im Nationalpark oder in einer Kläranlage.
Am 23.11.21 ist Oliver Schrot live auf LinkedIn zu Gast. Wir diskutieren ab 18:00 Uhr über erfolgreiche Maßnahmen zur Emissionsreduktion und Anpassung an den Klimawandel für Linz und Städte ab 200.000 Einwohner:innen. Seien Sie live dabei und diskutieren Sie mit! Auf LinkedIn Klima Stadtlabor Linz
Titelfoto: (c) stadt linz dworschak
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