Rekordverlust: Ernteausfälle von bis zu 70% in Nord- und Ostdeutschland
Gelbe Grasflächen, sandige Äcker, verdorrtes Getreide. Der Norden Deutschlands hat seit Wochen mit Trockenheit und Dürre zu kämpfen. Das hat schlimme Folgen für die Landwirte und Natur.
Die Bauern sind vor allem im Norden und Osten Deutschlands tief besorgt: Ihnen drohen enorme Ernteausfälle bei Getreide, Mais, Zuckerrüben, Raps und Kartoffeln. Die Kühe haben nichts zu fressen mehr. Seit Tagen herrschen Temperaturen weit über 30 Grad, seit Ostern kam in vielen Regionen kein Tropfen Regen.
SmartCitiesConsulting hat mit Peter Matthies von FairKorn gesprochen. Das Getreidehandelsunternehmen in der Nähe von Hamburg verkauft bundesweit Qualitäts- und Futtergetreide sowie Mais und Ölsaaten. „Wir haben deutlich weniger Ware dieses Jahr zur Verfügung und somit geht ein Anstieg der Preise von bis zu 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr damit einher.“
Deutlich weniger Ware stellt beispielsweise der Lämmerhof Nähe Ratzeburg zur Verfügung. Hier werden Dinkel, Hafer, Gerste, Weizen Roggen, Ackerbohne, Kleegras u.v.m. angebaut – vieles davon wurde bereits gemäht – nachwachsen tut das Getreide nun nicht mehr, als dass es für eine zweite Ernte in diesem Jahr reichen würde.
„Bei uns ist Steppe. So eine Dürre habe ich noch nicht erlebt. Ich habe mindestens 60 Prozent weniger Getreide“, klagt auch Bauer T. Lorenzen, in der Nähe von Nortorf. Damit ist er nicht alleine – in Nord- und Ostdeutschland haben viele mit Ausfällen von bis zu 70 Prozent zu kämpfen, in Gesamtdeutschland liegt die Zahl bei 20 Prozent. Es wird davon ausgegangen, dass allein sieben bis acht Millionen Tonnen Getreide weniger geerntet wird. „Letztes Jahr hatten wir schon ein Extremjahr: Da konnten wir nichts ernten, weil es zu viel geregnet hat, dieses Jahr das Gegenteil. Das Klima spielt verrückt.“
Getreideverluste
Die ersten Ergebnisse der Weizenernte sind unzureichend, da die Körner zu klein sind und wenig Stärke enthalten. Und eine weitere damit einhergehende Folge: Die Trockenheit hat auch zur Vermehrung von Schädlingen, wie Mäusen oder Rapsglanzkäfern im Raps geführt.
Kartoffeln
Kartoffeln können eigentlich viel Wasser speichern, aber dieses Jahr reicht es nicht aus. Sie haben im Frühjahr zwar angesetzt, als es noch feucht genug war, aber haben, als es trocken wurde, aufgehört zu wachsen. Viele Bauern können die zu kleinen Kartoffeln nicht auf den Markt bringen.
Mais
Auch der Mais hat Probleme zu wachsen – es ist einfach zu heiß. Normalerweise hat er im Juli eine Höhe von 2,50 Meter, jetzt steht er auf manchen Feldern aber nur kniehoch.
Folgen für die Tiere: Milchkühe verhungern
Der Notstand auf den Feldern ist auch in den Ställen zu sehen. Milchkühe brauchen bis zu 40 kg Gras pro Tag, das geben die braun-gelben Wiesen aber nicht mehr her. Heu und Stroh dazukaufen ist teuer, das kann sich nicht jeder Landwirt leisten – und auch auf anderen Höfen ist die Ernte mau, der Transport zu aufwendig. Also müssen einige Tiere notgeschlachtet werden.
Fische ersticken
Eine weitere Folge der anhaltenden Hitze ist das Fischsterben, hier beobachtet in der Hamburger Alster. Nicht nur eine Handvoll, sondern mehr als vier Tonnen tote Fische wurden in den letzten Tagen abtransportiert. Die Fische ersticken in ihrem natürlichen Lebensraum, weil aufgrund der erhöhten Temperaturen der Sauerstoffgehalt sinkt. Gegenmaßnahmen unternimmt die Stadt nicht.
Subventionen sind jetzt notwendig, sonst ist es zu spät
„Eine Katastrophe ist das für uns, wir fühlen uns im Stich gelassen von der Regierung.“ Es sind frühere Agrarausgleichszahlungen notwendig, aber selbst dann ist ein Höfe- und Existenzsterben nicht ausgeschlossen. „Ohne Hilfen werden wir die nächsten Jahre nicht überstehen.“ Eine Milliarde fordert der Bauernverband von Bund und Ländern. Das Problem ist damit nicht gelöst. Eine langfristige Adaptation an den Klimawandel muss her.
Nach der Dürre die nächste Überschwemmung?
Aufgrund des Klimawandels war das nicht die letzte Dürre und Trockenheit und auch nicht die letzte darauffolgende Überschwemmung, die Deutschland erfahren hat. Extreme Wettersituationen wiederholen sich. Um sich den veränderten klimatischen Bedingungen anzupassen, wird in der Landwirtschaft nach alternativen Anbaumethoden geforscht. Dabei geht es um den Anbau anderer Getreidesorten, alternativer Bewässerungsmethoden und neuer Anbaumethoden. Abhilfe kann aktuell die Nutzung von ökologischen Vorrangflächen* schaffen. Landwirte dürfen diese künftig ausnahmsweise beweiden und mähen. Aber auch das Konzept der Massentierhaltung gehört überdacht. Als Wiederkäuer produzieren Kühe bei der Verdauung große Mengen Methan. Das dabei entstehende Methangas ist einer der Verursacher des Klimawandels und 21 Mal schlimmer als Kohlendioxid. Fragen wie „wie viel Regen braucht eine Kartoffel“, „welche Getreidesorten wachsen auch bei Dürre/Überschwemmung und sind resistenter“, „welche Anpassungen sind langfristig notwendig“ müssen schnellstmöglich diskutiert werden.
* „Landwirtschaftliche Betriebe müssen grundsätzlich zunächst fünf Prozent ihrer Ackerflächen als ökologische Vorrangflächen bereitstellen. Diese Flächen müssen im Umweltinteresse genutzt werden (z.B. zum Erhalt von Hecken oder als Pufferstreifen zu Gewässern). Eine landwirtschaftlich produktive Nutzung bleibt unter bestimmten Bedingungen aber zulässig.“ (Definition des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft)
Schreibe einen Kommentar