Smart Crowdfunding statt Bankkredit

Förderungen

Unternehmer sind zunehmend unzufrieden. Denn Banken vergeben aufgrund neuer Regulierungsbestimmtungen immer weniger Kredite. Bahn frei für eine neue Idee: Crowdfunding.

Eine Idee und eine Community. Mehr braucht es für Crowdfunding eigentlich nicht.
Eine Idee und eine Community. Mehr braucht es für Crowdfunding eigentlich nicht. Rocio Lara

Es herrscht Revolutionsstimmung bei den Unternehmern, die sich im Urban Saal, im Haus der Industrieellenvereinigung in Wien zusammengefunden haben. Sie sind enttäuscht vom Fördersystem Österreichs im Allgemeinen und von den Banken im Speziellen. „Wir sind in der Situation, dass KMUs (kleine und mittlere Unternehmen – Anm. d. Red.) Banken nicht ein Mal mehr nach Krediten fragen“, beschwert sich einer der Teilnehmer zu Beginn der Veranstaltung. „An wen können wir uns noch wenden, wenn es um Finanzierungshilfen geht?“

Die Antwort, so hoffen alle, kommt vom Hauptredner des Abends, Reinhard Willfort und dem – für Österreich – relativ neuen Konzept des Crowdfunding. Dabei wendet sich ein Projektwerber per Internetplattform an eine breite Masse an potenziellen Investoren. Beim klassischen Crowdfunding wird Geld gegen „Goodies“, also kleine Dankeschöns getauscht. Das Projekt boomt, weil es schnell und unbürokratische Unterstützung verspricht. Das Münchner Start-Up-Unternehmen „Bragi“ hat kürzlich für ihre Idee Wireless Smart Headphones zu produzieren, in nur zehn Tagen 2 Millionen Dollar von 10.000 Supportern erhalten. Neue Arten des Crowdinvestings oder Crowdlendings sind für Investoren auch finanziell interessant, da sie eine Rendite oder zumindest eine Verzinsung versprechen.

Bruno Schachner, Geschäftsführer des Prototypenherstellers „BS-Modelshop GmbH„, kann sich das zumindest für einen Teil seines Unternehmens gut vorstellen. „Es wäre spannend einen Produktionsbereich meines Geschäfts auszulagern und den Neuaufbau finanzieren zu lassen“, sagt er nach der Veranstaltung. „Oder ich frage meine Mitarbeiter: Wollt ich euch mit je 500 Euro an dem Neuaufbau beteiligen? Das wäre schon interessant.“ Allerdings sieht der Unternehmer auch Schwierigkeiten. Bei einer Finanzierungssumme über 250.000 Euro ist Schachner in Österreich prospektpflichtig. Bei einem durchschnittlichen Kostenaufwand von 350.000 Euro für einen Prospekt stellt sich die Frage, was überhaupt über Crowdfunding finanziert werden kann: „Ein guter 3D-Drucker kostet mich 120.000 Euro, ein guter Laser-Sinter sogar 600.000 Euro“, sagt Schachner.

Podiumssprecher Herbert Kling: "Die Aufgeschlossenheit gegenüber Crowdfunding ist hoch"
Podiumssprecher Herbert Kling: „Die Aufgeschlossenheit gegenüber Crowdfunding ist hoch“ mime

Trotzdem habe Crowdfunding ein großes Potenzial sagt Herbert Kling vom Meinungsforschungsinstitut „meinungsraum.at„. Eine repräsentative Umfrage im Auftrag von Smart Cities Consulting unter  Bürgermeister/innen und Einwohner/innen in österreichischen Städten mit mehr als 5.000 Einwohnern habe ergeben, „dass die Aufgeschlossenheit gegenüber Crowd-Finanzierungen sehr hoch ist.“ Fast 70 Prozent der Befragten fänden die Finanzierung eines Gemeindeprojekts über Crowdfunding „sehr interessant“. „Damit dieses Potenzial auch wirklich ausgeschöpft werden kann, sollten sich die Rahmenbedingungen verbessern“, sagt Kling. In anderen Ländern liege beispielsweise die Grenze zur Prospektpflicht wesentlich höher.

Formen des Crowdfunding können aber auch Nachteile haben. Und zwar für Projektwerber und Anleger. Projektwerber müssten öffentlich „die Hosen runterlassen“. Wer eine breite Masse überzeugen will, muss die eigene Idee und die eigene Strategie möglichst konkret darstellen. „Eigentlich die einfachste Form der Industriespionage“, wie Teilnehmer Stefan Hupe feststellt. Aber auch Anleger tragen ein Risiko. Funktioniert das Geschäftsmodell nicht, ist das Geld weg. Und auch was die Gesetzgebung betrifft, ist noch vieles Unklar. Der Fall von Heinrich Staudinger, Gründer der Schuhmarke „Waldviertler“, ist ein Paradebeispiel dafür. Als ihm seine Hausbank keinen Kredit mehr gab, lieh sich der Unternehmer (damals noch ganz analog) Geld von Freunden und Kunden. Die Finanzmarktaufsicht klagte ihn daraufhin auf Unterlassung, da nur Banken die Erlaubnis zur Kreditvergabe haben. „Heini“ Staudinger kämpft derzeit vor den Höchstgerichten gegen den Bescheid an.

Es gibt aber auch Beispiele, bei denen Crowdfunding reibungsloser funktioniert. Seit vergangenem Jahr setzt das Unternehmen „Grüne Erde“ auf sogenanntes Crowdlending, bisher ohne in Konflikt mit Kreditinstituten gekommen zu sein. Im Gegensatz zu Heini Staudinger haben sich die Geschäftsführer rechtlich abgesichert, indem sie den Vertrag als „qualifiziertes, nachrangiges Darlehen“ tituliert haben. Sprich: Erst werden Banken und andere Gläubiger ausbezahlt – dann die Crowdfunder. Anleger können dabei einen Darlehensvertrag zwischen 2.000 und 50.000 Euro mit der Mindestlaufzeit von fünf Jahren abschließen. Die jährliche Verzinsung beträgt fünf Prozent. Das Beispiel zeigt, dass Crowdfunding nicht nur etwas für Startups ist.

„Das Wichtigste bei Crowdfunding ist Vertrauen“, sagt Herbert Kling von meinungsraum.at. „Je näher ein Projekt dem Lebensbereich eines Anlegers ist, desto größer ist das Vertrauen und damit die Bereitschaft zu investieren.“ Unternehmen, oder Produkte, die eine Community bilden können, hätten es bei solchen Modellen besonders leicht.

Hintergrundinformationen zur Veranstaltung:

Veranstaltung der Industriellenvereinigung Niederösterreich und des Austrian Crowdfunding Network (ACN) zur Bekanntmachung und Question Answer zu Crowdbasierten Finanzierungsformen, wie Crowdfunding oder Crowdlending. Keynote-Speaker war Reinhard Willfort, Initiiator der ersten österreichischen Crowdinvestment Plattform „1000×1000“.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Benjamin Kuscher, ACN Mitglied und Experte im Bereich alternativer Finanzierungsformen.

Redner waren: – Michael Gebert – Veranstalter Crowd Dialog (http://www.crowddialog.de/) – Reinhard Willfort – Initiiator der ersten österreichischen Crowdinvestment Plattform „1000×1000“ (https://1000×1000.at/home).

Sowie ein Podium bestehend aus: – Herbert Kling – meinungsraum.at – Sonja Kerschbaum von der Rechtsanwaltskanzlei „Kerschbaum und Partner“ – Linette Heimrich von der Industrie und Handelskammer München. Fachbetreuerin Crowdsourcing und Schwarmfinanzierung. – Herbert Rohrmeier-Lewis von der Werbeagentur „Lobster“ – Niels Mitschke (Austria Wirtschaftsservice)

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