Trübe Gewässer: Non-Revenue-Water in Europa

Wasser

Unsere Wasserleitungen sind löchrig wie ein Nudelsieb. Täglich versickern 45 Milliarden (!) Liter Wasser durch Löcher in den Leitungen öffentlicher Distributionssysteme in der ersten Welt1. Das wäre genug um 200 Millionen Menschen weltweit mit Wasser zu versorgen. Allerdings wird kaum etwas gegen poröse Leitungen unternommen. Der Grund? Unser Wasser ist zu billig.

Europas Gewässer sind in Gefahr. Nach einem EU-Beicht sollen es bis 2030 über die Hälfte aller Oberflächengewässer sein.
Europas Gewässer sind in Gefahr. Nach einem EU-Bericht sollen bis 2030 über die Hälfte aller Flussbetten von Wasserknappheit betroffen sein4. Foto: Martin Abbeglen

Man stelle sich einen Getreidebauern vor. Täglich schickt er vier Lastwagenladungen voller Weizen Richtung Markt. Dabei verschwindet jeden Tag einer der Lastwägen auf unerklärliche Weise und kommt ohne Ladung zurück. Aber anstatt nach der Ursache des Problems zu suchen, schickt der Bauer jedes mal einen Fünften. Unvorstellbar? Mit unserem Wasser verhält es sich so. Rund 25 Prozent des weltweiten Trinkwassers geht verloren bevor es beim Verbraucher ankommt. Das schätzt eine Studie, die 2006 für die Weltbank durchgeführt wurde. Der Grund dafür kann bei fehlerhaftem Monitoring und Wasserdiebstahl liegen. Vor allem aber liegt es an porösen Leitungen. Löcher in den Rohren, durch die das Wasser durchsickert. Löcher die niemand repariert, weil es einfach billiger ist frisches Wasser nachzuschießen, bis der Druck wieder ausgeglichen ist.

Es ist nicht so, dass das ein Geheimnis wäre. NRW ist die offizielle Abkürzung für Non-Revenue-Water. Wasser, das zwar in die öffentlichen Leitungen eingespeist wird aber nicht beim Verbraucher ankommt. Die NRW-Werte in fast allen Ländern der Welt sind zu hoch, darüber sind sich Experten und Politiker einig. Nur wie hoch, das weiß keiner so genau. IBNET, die Energie und Wasser Direktion der Weltbank hat eine interaktive Karte erstellt, die einen Überblick über nationale Wasserwerte geben soll. Neben Werten wie Verbrauch und Kosten wird auch der Prozentsatz an Non-Revenue-Water angezeigt. Allerdings ohne Anspruch auf Wahrhaftigkeit. Die Wasserdirektionen der Länder müssen die Werte nämlich selbstständig eintragen und wie eine Studie für die IBNET selbst anmerkt: „worst-performing utilities rarely report data or, if they do, the information is not reliable.“1

Was nichts kostet ist nichts wert

Andere Schätzungen kommen aus der privaten Wirtschaft. TaKaDu, ein weltweit agierendes Monitoring-Unternehmen, verortet die globalen NRW-Werte bei 30 Prozent. Dabei ist TaKaDu aufgefallen: Besonders viel Wasser wird dort „verschwendet“, wo Wasserpreise niedrig sind. Städte, in denen ein Kubikmeter Wasser weniger als einen Dollar kostet, haben NRW-Werte von 25 Prozent oder höher. Wobei Städte mit einem höheren Wasserpreis im Schnitt deutlich geringere NRW-Werte aufweisen.

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Quelle: TaKaDu: The Connection between Water Prices and Water Network Efficiency

Woran liegt das? Ein Bericht der Europäischen Kommission2 fasst das Hauptproblem, in etwas umständlichen EU-Deutsch zusammen: „Werden Wassertarife unterhalb der Kostendeckungsgrenze angesetzt, reicht das Anlagenerneuerungspotenzial bei Trinkwassersystemen möglicherweise nicht aus, um Wasserverluste auf ein tragbares Niveau zu reduzieren, und reichen die für die Wasserbehandlung zur Verfügung stehenden Mittel möglicherweise nicht aus, um die Umweltziele zu erreichen.“ Kurz gesagt: Ist das Wasser zu billig, lohnt es sich nicht in Sparmaßnahmen zu investieren.

Mehr Dürren in Europa

In der Landwirtschaft, dem größten Wasserverbraucher der EU, werden die Kosten der Wasserversorgung nur zum Teil wieder eingeholt. Für einen Großteil der Wasserentnahmen innerhalb der europäische Landwirtschaft werden keine Kosten berechnet, auch nicht in wasserarmen Gebieten. Es gibt keinen Finanzmechanismus zur Deckung der entstehenden Umwelt- und Ressourcenkosten, keine Anreize für Wassereinsparungen. Der verschwenderische Umgang mit Wasser wird zu großen ökologischen Problemen führen. Schon jetzt gelten über 20 Prozent der EU als Dürregefährdet3. Bis 2030 wird es nach EU-Berichten4 die Hälfte aller Flussbetten sein. Zwischen 1976 und 2006 hat sich die Anzahl an Dürren in der EU um 20 Prozent erhöht2. Erst im Sommer 2011 war im Süden Europas von der Jahrhundertdürre die Rede. 2012 regnete es wieder mehr, trotzdem waren weite Gebiete von Wasserknappheit betroffen. Deswegen sinken Artenvielfalt und Wasserqualität. Und deswegen steigen Bodenerosionen und Wüstenbildung. Einige dieser Auswirkungen sind kurzfristig und der Normalzustand stellt sich wieder ein, andere jedoch bleiben.

Um das zu vermeiden fordern Experten schon lange höhere Wasserpreise. In Deutschland zahlt der Verbraucher zur Zeit etwa fünf Euro für einen Kubikmeter Wasser5. Das bedeutet, eine volle Badewanne (140 l) kostet rund 70 Cent. Nirgends in der EU ist das Wasser so teuer wie hier.

Nachweise: 1: The Challenge of Reducing Non-Revenue Water (NRW) in Developing Countries – Link 2: Bericht über die Überprüfung der EU-Strategie zur Bekämpfung von Wasserknappheit und Dürren – Link 3: Use of freshwater resources – Link 4: Ein Blueprint für den Schutz der Europäischen Wasserressourcen – Link 5: Der Blueprint Wasser für Europa – Link

Fotocredits: Titel: Horst Gutmann Social Media: Korona Lacasse Interessiert mehr über dieses Thema zu erfahren? Lesen Sie: „In der Black Box“ Interview mit Erik Driessen, Innovation Manager beim niederländischen Trinkwasserunternehmen Vitens: „Wir haben relativ niedrige Wassertarife in Holland. Und trotzdem haben wir einen der niedrigsten „Non-Revenue Water“-Werte der ganzen Welt“ Oder folgen Sie unserer Diskussion auf LinkedIn: „Non-Revenue Water – Just a quantity discussion?“

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